Omar Visintin: „Wollten einfach nur nach Hause“

Visintin gilt seit Jahren als einer der besten Boardercrosser der Welt. Auch im zurückliegenden Winter hat der Algunder, der in der Saison 2013/2014 den Gesamtweltcup gewonnen hat, reihenweise für Furore gesorgt und stand im Schnitt jedes zweite Rennen am Podium. Einen Stockerlrang heimste er unter anderem beim Weltcup-Finale in Veysonnaz (Schweiz) ein, das einige Athleten wegen der Coronavirus-Pandemie boykottiert haben.

Im Nachhinein stand vor allem das Drama um Visintins Teamkollegin und Gesamtweltcupsiegerin Michela Moioli im Mittelpunkt. Einige Tage nach dem letzten Rennen ist ihre Großmutter am Virus gestorben , während ihr Opa bereits zum Zeitpunkt des Saisonabschlusses auf der Intensivstation in Bergamo lag. Im Telefon-Interview mit Nouvelles sportives hat sich Visintin zur damaligen Situation geäußert.

Sie sind inzwischen gut zu Hause angekommen. Wie geht es Ihnen?

Omar Visintin : „Danke, mir geht es gut. Ich bin in Algund und habe mich inzwischen der Situation angepasst. Ich mache das, was ich auch normalerweise nach dem Ende der Saison tue. Nämlich das Haus auf Vordermann bringen (lacht). Schließlich war ich zuvor lange nicht daheim. Normalerweise würde ich um diese Zeit so langsam mit dem lockeren Fahrradtraining beginnen. Nun mache ich viel Yoga und viele Dehnübungen. Einfach Dinge, die mir auch Spaß machen, um den Tag herumzukriegen. Auch mit Bücherlesen versuche ich mich derzeit zu beschäftigen.“

Blicken wir etwas zurück: Wie zufrieden sind Sie mit der abgelaufenen Saison?

„Ich bin wirklich sehr zufrieden. Ich habe den Gesamtweltcup auf Rang 3 abgeschlossen und stand bei 6 Rennen 3 Mal am Podium. Einmal gar ganz oben. Mit dieser Ausbeute bin ich sehr glücklich. Einzig an der Konstanz muss ich etwas arbeiten. Beispielsweise bin ich beim Heimrennen in Cervinia nur 22. geworden. Das hat mich etwas geärgert. Doch mit Platz 2 in Veysonnaz habe ich die Saison gut abgeschlossen.“ Omar Visintin (links) wurde beim Weltcup-Finale 2. © instagram

Sie sprechen das Saisonfinale in der Schweiz an. Einige Athleten haben dieses Rennen wegen dem Coronavirus boykottiert. Wie haben Sie die ganze Situation erlebt?

„Wir sind am Montag, den 9. März von Spanien in die Schweiz gereist. Im Kanton Wallis war damals die Situation ganz normal, es gab noch keinerlei Einschränkungen. Doch wir (Azzurri) wussten natürlich von unseren Familien und Freunden, was in Italien zu dieser Zeit bereits abging. Am Mittwochabend vor dem 1. Training haben dann die Kanadier und die US-Amerikaner vorzeitig die Koffer gepackt, um ihre Heimreise nicht zu gefährden. Spätestens dann hatten wir mit einer Rennabsage spekuliert. Schlussendlich wurde der Bewerb von Sonntag auf Freitag vorverlegt. Wir als Athleten haben uns an die FIS gewandt, schließlich waren andere FIS-Wettkämpfe (z. B. die Skirennen) zu diesem Zeitpunkt bereits abgesagt. Doch der Verband hat gemeint, dass die Entscheidung nicht bei Ihnen liegen würde, sondern beim Austragungsland.“

Schlussendlich wurde dann auch gefahren. Wie haben Sie speziell ihre Teamkollegin Michela Moioli in dieser schweren Zeit erlebt?

„Bevor wir mit dem Weltcup-Team nach Spanien gereist sind, war Michela bereits in Quarantäne in Bergamo gewesen. Als sie wieder dabei war, hat sie uns erzählt, wie kritisch die Situation in der Lombardei war. Spätestens dann merkten wir, dass der Sport nun endgültig in den Hintergrund gerückt ist. Beim Weltcup-Finale waren schlussendlich nur mehr jene Azzurri dabei, die im Gesamtweltcup noch eine Chance auf einen Podestplatz hatten. Doch wir wollten eigentlich alle nach Hause und dachten uns: sehen diese Leute nicht, was derzeit in Italien passiert? Schlussendlich konnten wir uns doch fokussieren und sind gefahren, da es um eine ganze Saison ging. Michela schrie vor ihrem Finallauf dann laut: Forza Italia. Alles war sehr emotional. Nach unserem Rennen am Freitag hat die Schweizer Regierung dann entschieden, alle Skigebiete zuzusperren. Ich muss aber zugeben, dass ich die Organisatoren von Veysonnaz auch verstehe, schließlich haben sie viel Zeit und Geld in die Austragung des Weltcup-Rennens gesteckt. Ihnen war die Situation auch vielleicht nicht so bewusst. Wir Azzurri sind vor dem Rennen jedenfalls viel mehr am Handy gehangen als sonst.“

„Olympia 2026 ist definitiv ein Thema“ Was sind Ihre nächsten Ziele für die Zeit nach der Ausgangssperre?

„Eigentlich wollte ich Mitte April für 2 Wochen nach Marokko. Doch daraus wird jetzt nichts mehr, wobei es viel Schlimmeres gibt (schmunzelt). Nun gilt es einfach mal abzuwarten. Wenn die Ausgangsperre vorbei ist, werde ich sicher öfters Radfahren oder in den Kraftraum gehen.“

Sie sind mittlerweile 30 Jahre alt und schon lange dabei. Ist das Karriereende irgendwo im Hinterkopf?

„Nein, daran denke ich gar nicht. Ich habe auf jeden Fall vor, noch ein paar Jahre zu fahren. Bei Olympia 2026 finden die Snowboardrennen in Cortina statt. Dies ist definitiv ein Thema. Falls ich verletzungsfrei bleibe und nach wie vor so viel Spaß habe wie bisher, kann ich mir auch vorstellen, nach 2026 noch dabei zu sein.“

Questions : David Lechthaler

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