Eine schwarze Wolke begleitet die Kicker

Stehe ich schon in den Startlöchern? Will heißen, der Getränkevorrat ist aufgefüllt, Knabbereien sind eingelagert, die Kumpels wissen Bescheid. Es ist Europameisterschaft und wir platzen vor Vorfreude. Aha. Interessant. Aber ich spüre nichts, rein gar nichts. Dabei beginnt das sogenannte Spektakel schon morgen mit dem Spiel Italien gegen die Türkei im Olympiastadion in Rom. Und Deutschland spielt am Dienstag gegen Weltmeister Frankreich. Da müsste der Puls doch eigentlich so richtig in Fahrt kommen. Tut er nicht. Und tut mir auch leid, dass es so ist. Für mich selber, denn ich hatte mich früher auch auf eine solche kontinentale Meisterschaft gefreut. Das war immer ein Highlight im Jahr.

Was also ist passiert? Zum einen gibt es da immer noch die Pandemie und Corona-Fälle, auch in verschiedenen Teams übrigens. Und dann bekommen wir eine Europameisterschaft serviert, die in elf verschiedenen Ländern ausgetragen wird. Kondensstreifen am Himmel zeigen uns dann immer an, welche Mannschaft gerade wohin fliegt. Verschiedene Einreisebestimmungen bezüglich Corona wurden für die Herren Kicker natürlich aufgehoben. Es geht schließlich um Fußball, da zählen Regeln nicht, die der Allgemeinheit vorgeschrieben werden. Das könnte ein fürchterlicher Trugschluss sein Das ist so typisch für die besondere Position des Fußballs, dass für mich der Sympathiewert sinkt. Und Nachhaltigkeit? Lächerlich, so ein Wort in Fußballerkreisen überhaupt zu erwähnen. Hauptsache, der Rubel rollt, die Politik spielt mit und vermutlich letztlich auch viele Fans, die jetzt doch in die Stadien dürfen. Immerhin 14.000 in München. In Budapest wollen sie 61.000 zuschauen lassen. Volle Hütte. Alle mit Mundschutz natürlich und fünf Zentimeter Abstand.

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat Pläne, die nicht alle toll finden. © APA/afp / GIUSEPPE CACACE

Ich ahne, man wird sich vonseiten des Europäischen Fußball-Verbandes (UEFA) jetzt darauf berufen, dass die Inzidenzwerte ja überall sinken und dass bald der Corona-Pass kommt. All das soll uns vorgaukeln: Es ist vorbei, wir können wieder in die Vollen gehen. Das muss nicht, aber das kann ein fürchterlicher Trugschluss werden. Eine WM alle zwei Jahre? Aber lassen wir sie erst einmal spielen, die Elite der Kicker, denn wer weiß, wie lange eine Europameisterschaft überhaupt noch irgendeinen sportlichen Wert besitzt. Das liegt jetzt nicht an den Protagonisten, sondern hat mit dem Fußball-Weltverband (FIFA) zu tun, deren Präsident Gianni Infantino davon träumt, alle zwei Jahre eine Weltmeisterschaft durchzuführen. Für die EM wäre das der sofortige Tod. Und Infantino träumt ja nicht nur. Er hat eine zweite Dependance eröffnet. In Paris. In die Nähe der Geldquelle Katar. Dieser Zweijahresrhythmus scheint bei Sportfunktionären einen unausrottbaren Glauben an den Fortschritt zu bedeuten. Dabei war und ist das bislang immer eine fatale Fehlentscheidung gewesen.

„Schon im nächsten Jahr ist das alles, was in den nächsten vier Wochen passiert, schon wieder ein alter Hut. Dann steht in den Weihnachtstagen die Fußball-Weltmeisterschaft ins Haus.“ Die Leichtathletik-EM, die statt alle vier Jahre jetzt auch alle zwei Jahre stattfindet, hat an Attraktivität dadurch massiv eingebüßt, zumal man ja auch Rücksicht auf die Olympischen Spiele nehmen muss. In diesen Jahren gibt es dann eine sogenannte kleine, eine abgespeckte Europameisterschaft, die im Grunde das Eingeständnis ist einer Niederlage im Terminpoker. Biathleten tragen jedes Jahr Europameisterschaften aus, Eiskunstläufer auch. Spätestens bei den in diesen Sportarten sogar jährlich stattfindenden Weltmeisterschaften wird dann klar: Diese Europameisterschaften sind ein Muster ohne Wert.

Dem Fußball droht dieses Szenario jetzt auch. Es hängt wie eine schwarze Wolke über dieser Europameisterschaft des reisenden Wahnsinns, denn, nicht vergessen, schon im nächsten Jahr ist das alles, was in den nächsten vier Wochen passiert, schon wieder ein alter Hut. Dann steht in den Weihnachtstagen die Fußball-Weltmeisterschaft ins Haus. In Katar.

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